Die Standardvarietäten des Spanischen

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Einleitung
  1. Wie kam das Spanische nach Südamerika?
Standardvarietäten des Spanischen
  1. Der Seseo
    1. Der Andalucismo
    2. Der Seseo
  2. Der Voseo
  3. Genus und Numerus
  4. Der Yeísmo
  5. Konsonanten in implosiver Stellung
    1. Der Konsonant /s/
    2. Die Konsonanten /r/ und /l/
    3. Der Konsonant /h/ am Wortanfang
  6. Konsonantengruppen
  7. Weitere sprachliche Besonderheiten Hispanoamerikas
Index


Andere Artikel
Standardvarietäten des Spanischen
Der Voseo
Der Voseo ist die wichtigste grammatikalische Erscheinung innerhalb des lateinamerikanischen Spanisch. Es handelt sich hierbei um das Phänomen, anstelle des Subjektpronomens das Pronomen vos zu setzen, was sich vor allem auf die Konjugation auswirkt. Historisch gesehen muss man den Voseo als Archaismus im Lateinamerikanischen ansehen, der seinen Anfang im Altspanischen nahm. Dort benutzte man für die zweite Person Singular zwei unterschiedliche Pronomina: "" wurde in vertrauter Umgebung verwendet, während "vos" als respektvolle Anrede galt, wie folgendes Schema zeigt:
vertraut sozial höher gestellte Person
Singular vos
Plural vos / vosotros vos / vosotros
höfliche Form
Singular usted
Plural ustedes
Im 16. Jahrhundert, d. h. zur Zeit der Eroberung Südamerikas durch Spanien, fand eine Umkehrung der Rolle des "vos" statt, das nun als populäre Variante dem vornehmen "Vuestra merced" gegenüberstand, aus dem das heutige "usted" entstanden ist. Der Umschwung von vos und ist natürlich als längerer Prozess zu verstehen, und man könnte die zur Zeit der Conquista herrschende Vielfalt für die heutige Koexistenz von vos und verantwortlich machen. Die Variante , die höher bewertet wurde, setzte sich in den Ländern durch, die einen engen Kontakt zum Hof in Madrid pflegten, d. h. in Spanien, den Antillen, Mexiko, Peru und einige weitere. In den Ländern, die dem Hof wiederum nicht so nahe standen, kam es zu Mischformen, die aus beiden Pronomina und die aus Singular- und Pluralverbformen gebildet wurden. Die Pronomenpaare sind in erstgenannten Ländern "" und "vosotros" (siehe Spanien) und in den letztgenannten "vos" und "ustedes". Die Höflichkeitsformen sind in allen Ländern "usted" bzw. "ustedes".
In einigen Ländern verwendet man beide Pronomina, in anderen dafür nur eines. Des Weiteren gibt es drei Formen des Voseo, den Voseo general, den Voseo verbal und den Voseo pronominal. Ersterer bezeichnet den Gebrauch der dem Pronomen vos entsprechenden Verbform, z. B. vos tomás / comés / vivís. Das Gegenteil ist die zweite Art, z. B. tú tomás / comés / vivís, d. h. das Pronomen und die Verbalform von vos. Die dritte Variante bezeichnet den Gebrauch von vos zusammen mit der nach kastilischer Norm gebildeten Verbform, z. B. vos tomas / comes / vives.
Jedoch wird keine dieser Varianten in Argentinien verwendet. Da das Pronomen vos ursprünglich für die Anrede im Plural verwendet wurde (vgl. obige Tabelle), bedienen sich manche Voseantes der archaischen Form der zweiten Person Plural: vos tomáis / coméis / vivís. Dieses System entspricht fast dem System mit vosotros, das aus vos + otros gebildet wurde, und wird in San Luis und in Chile verwendet.
In einem Großteil der Länder des südamerikanischen Kontinents hört man sowohl als auch vos in unterschiedlicher sozialer Funktion. Dabei zeigt sich, dass die kastilische Norm durchaus nicht unbedingt als die beste gelten muss; die Mischformen genießen sogar fast eine höhere Autorität als die ursprünglichen spanischen (z. B. in Panama tú tomás, in Ecuador, Quito, La Paz, Bogotá und Tucumán vos tomas). Ausschließlich "tuteantes" sind die Länder Mexiko (ausgenommen der Süden), die Antillen und Peru, wo sich nur eine Form durchgesetzt hat. Zentralamerika und Argentinien beschränken sich auf die Form vos (siehe oben). 
Da die Form vos die Stelle der zweiten Person Singular eingenommen hat und nicht mehr die zweite Person Plural ausdrückt, wurde dieser Leerraum durch ustedes ausgefüllt, das aber auch für die dritte Person Plural erhalten blieb. Daher unterscheidet man in Lateinamerika nicht mehr zwischen höflicher und vertrauter Anrede (auch in Tuteo-Gebieten), zumindest nicht im Plural, denn im Singular wird weiterhin zwischen diesen beiden unterschieden. Man kann die Singularformen Südamerikas jedoch trotzdem nicht mit dem spanischen vergleichen (siehe obige Tabellen). Wegen der großen Ausbreitung und der Popularität des Voseo beschränkt sich dieses Phänomen nicht mehr nur auf den Indikativ Präsens, sondern weitet sich auch auf den Subjunktiv Präsens (vos tomés...), das Indefinido (vos tomastes) und den Imperativ (tomá) aus.
Trotz des Voseo bleiben die Reflexiv- sowie die Possessivpronomen der zweiten Person Singular in der Regel unverändert: vos te vas, vos hablas de tu casa etc.
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