Die Herkunft der französischen Sprache und das Vulgärlateinische
Geschichtlicher Hintergrund
Das Französische gehört zur Gruppe der romanischen Sprachen. Es ist also verwandt mit dem Portugiesischen, dem Galicischen, dem Spanischen, dem Katalanischen, dem Okzitanischen in Südfrankreich, dem Sardischen, dem Italienischen, dem Rätoromanischen sowie dem Rumänischen.
Wie auch die übrigen romanischen Sprachen geht das Französische auf das Lateinische zurück. Dieses breitete sich nach der Eroberung Galliens durch Julius Caesar auf dem Gebiet des heutigen Frankreichs aus. Dort siedelten schon die Kelten (Gallier) im Norden und die Aquitanier im Süden, die jeweils ihre eigene Sprache besaßen. Nachdem Caesar das Gebiet erobert hatte, wurde es in drei Teile eingeteilt: Aquitania, Lugdunensis und Belgica. Durch diese Romanisierung eignete sich die Bevölkerung - vor allem in den Städten - die lateinische Sprache an. Jedoch war dies nicht das gehobene Latein, in dem z. B. Caesar und Cicero schrieben, sondern die Umgangssprache des Volkes, vor allem der Stadtbevölkerung, der Kaufleute oder der Legionäre, die für die kleinen Handwerker und die Sklaven das Vorbild waren. Dieses umgangssprachliche Latein wird heute als "Vulgärlatein", d. h. als volkstümliches Latein, bezeichnet.
Mit der Verbreitung des Vulgärlateinischen über die Stadtgrenzen hinaus veränderte sich sein Aussehen in großem Maße. Die ethnisch und auch sprachlich sich unterscheidende Bevölkerung eignete sich diese Umgangssprache auf unterschiedliche Weise an, was bei den verschiedenen Sprachen der Ureinwohner nicht verwunderlich ist. Daher bildeten sich im Norden und Süden des Landes innerhalb des Vulgärlateinischen leicht divergierende Merkmale heraus; hinzu kam noch, dass sich die Romanisierung Galliens im Süden stärker und schneller vollzog als im Norden. In Aquitanien z. B. starb die ursprünglich dort gesprochene Sprache ziemlich rasch aus, während sich im Norden das vorher dort vorhandene Keltische länger hielt.
Als Überreste vieler keltischer Wörter sind zahlreiche Städte- und Gebietsbezeichnungen zu nennen, wie beispielsweise Amiens, Angers, Bayeux, Beauvais, Chartres, Langres, Nantes, Paris, Reims, Soissons und Troyes, die sich aus den Wörtern Ambiani, Andegavi, Baiocasses, Bellovaci, Carnutes, Lingones, Namnetes, Parisii, Remi, Suessiones und Tricasses gebildet haben. 
Gegen Ende des 5. Jahrhunderts kam es wieder zu Ereignissen, die ganz entscheidend zur Entwicklung der heutigen französischen Sprache beigetragen haben. Gallien wurde von den Franken erobert; noch vor diesen hatten sich in Gallien die germanischen Burgunder angesiedelt und von Rom die erste Lugdunische Provinz mit den Städten Lyon (Lugdunum), Autun (Augustodunum) und Langres erhalten. Dadurch, dass die Burgunder sich des gallischen Gebietes bemächtigten, wurde dieses praktisch völlig vom direkten Verkehr mit Rom abgeschnitten.
Noch vor den Burgundern war das südliche Gallien von den Westgoten erobert worden. Sie gehörten zwar dem Namen nach noch zu Rom, jedoch nahm seit dieser Zeit die eigenständige kulturelle und sprachliche Entwicklung dieses Gebietes ihren Anfang, letztere mündete dann in der Sprache des Okzitanischen.
Unter der Führung Chlodwigs eroberten die Franken das Gebiet der Burgunder und der Westgoten; Erstere unterwarf er, Letztere verdrängte er nach Spanien. Das sich jetzt bildende Reich der Merowinger bestand noch aus einzelnen Provinzen, die erst Karl der Große vollständig vereinigte. Nach seinem Tod teilten seine Nachfolger das gesamte Reich in zwei Hälften, eine germanische (= deutsche) und eine romanische (= französische). Somit lieferte die fränkische Eroberung die Bedingungen für die Herausbildung einer neuen Sprache, des Französischen.
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